Es ist schon sehr merkwürdig als Schwuler die Geschlechterkriege zu beobachten. Da wird von Machos gesprochen, von Femnazis, Geschlechtergestapo, von Kreuzügen gegen die Männlichkeit etc. Keiner der beiden Seiten merkt, das sie sich und ihrer Sache auf Dauer schaden. Seit meinem 18 Lebensjahr (heute 41) kämpfe ich für die Gleichberechtigung von Homosexuellen, also denjenigen, die in dieser (heteronormativen) Hierarchie sogar noch tiefer stehen als Heterosexuelle, egal welchen Geschlechts. Wir haben in unserer Sache viel erreicht, an Anerkennung. Bis dahin sind viel Blut, Schweiß und Tränen geflossen. Uns half keine Quote. Uns half es, das wir beharrlich blieben, aufklärten und mit Geduld an die Sache gingen. Aber auch das wir uns wehrten wo es angebracht war.
Trotzdem mache ich und viele andere jeden Tag den Sexismus durch, den Feministinnen anprangern. Sexismus ist etwas verletzendes, demütigendes und zutiefst ehrverletzendes. Denn es trifft einen da, wo man nichts ändern kann. Eine Frau ist eine Frau, ein Schwuler/Lesbe ist was es ist, daran läßt sich nichts ändern. Sie werden in eine Ecke gestellt von sexistischen Männern, die diese Männer selber für die anderen geschaffen haben. Ich habe vor langer Zeit für mich entschlossen das ich nicht in diese Ecke gehöre. Ich für mich suche aus wo ich stehe in der Gesellschaft, denn in der Ecke bin ich gelandet weil ich es zugelassen habe.
Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie ich angefangen habe in einer Domäne zu Arbeiten, die bis dahin fast ausschließlich von Heteronormativen besetzt war. Als Netzwerkmanager für Großkundennetzwerke. Ich war der einzig Schwule Mann in der Abteilung mit 90 Mitarbeitern und ich machte auch keinen Hehl daraus. Jeden Tag bekam ich Vorurteile mit. Ein Witz hier, ein Dummer Spruch da, immer auf meine Kosten. Es verletzte mich und diesen Ärger schluckte ich jeden Tag runter. Aber ich blieb mir selber treu. Um so mehr ich mit meiner Arbeit überzeugte und in der Firmenhierarchie aufstieg, desto öfter bekam ich diese dummen Kommentare zu hören.
Aber ich bekam auch immer mehr Anerkennung für meine Arbeit. Ich wurde oft zu rate gezogen, auch immer öfter von denjenigen, die dumme Sprüche von sich gaben. Diese Anerkennung hatte ich mir durch Fleiß und Beharrlichkeit erarbeitet. Ich war auf gleicher Augenhöhe angekommen. Plötzlich gab es Situationen, wo flapsig ein Spruch kam und mich Leute in Schutz nahmen, die vor Monaten mich noch selbst Angriffen mit ihrem Sexismus.
Denn sie merkten das es egal war ob ich schwul bin oder heterosexuell, denn meine Leistung war das, von dem alle profitierten.
Aber ich hätte es auch anders machen können. Radikaler, aggressiver, einer dieser Kampfschwuppen werden können. Ich hätte jeden sofort angreifen können bei einem Spruch, zum Vorgesetzten gehen, zum Betriebsrat etc. Ich hätte einen Kreuzzug führen können. Nur, hätte ich damit mehr Verständnis bekommen für mich ganz persönlich, oder hätten die anderen nur den Sexismus weggelassen weil sie eingeschüchtert wurden, aber im Grunde im Kopf nicht anders ticken wie vorher?
Ich habe im nachhinein viele angesprochen in einer ruhigen Minute. Angesprochen darauf was sie von sich gaben und was es in mir bewirkte. Die allermeisten wussten nicht mal was sie verursachten, denn ihr Leben war durch die hetero normative Gesellschaft geprägt worden. Sie wurden selber in Rollen gesteckt, die sie ohne nachzudenken ausfüllten. Viele begriffen allmählich wie bescheuert das eigentlich ist und versuchten an sich zu arbeiten. Sie verdienten meinen Respekt.
Aber es gab auch die Sorte, die einfach nicht lernen wollte, nicht begreifen wollte, ja, sogar einfach bösartig waren. Sie wollten verletzen, sie wollten einen kränken. Was sie am Anfang auch schafften, bis ich begriff, das sie eigentlich die schwächeren waren. Denn ich habe mein Leben lang mit all den Widrigkeiten gelebt, überlebt und mich bis an diesen Punkt gebracht. Ich bin der Stärkere, nicht diese Trolle, die andere verletzen müssen um sich besser zu fühlen. Sie sind diejenigen die arm sind, die sich in eine Ecke stellen und verloren sind, denn wer Sexismus sät, wird keine Liebe ernten.
Um wieder zurück zum Feminismus zu kommen: Viele machen leider den Fehler sehr aggressiv vorzugehen und letztendlich auf gleicher Augenhöhe wie die Sexisten kein deut besser zu sein. Gleichberechtigung schafft man nicht in dem man nicht besser wird wie die anderen, sondern sich nur angleicht. Auch wenn ich die Wut vollends nachvollziehen kann.
Ich bin immer wieder erschrocken, wenn bestimmte Feministinnen bei grausamen Verbrechen die Todesstrafe fordern, weil der Verbrecher eine unglaublich grausame Tat an einer Frau beging. Macht es sie nicht schlimmer, oder zu mindestens genauso grausam wie die Verbrecher? Es gibt Länder wie der Iran, der Jungen von 15 Jahren öffentlich hängt, bloß weil sie Schwul sind/waren. Gibt es mir das recht diejenigen die daran beteiligt waren auch zu töten? Wenn ich das Fordere was ich anprangere, macht mich das genauso schlecht und ich kann nicht mehr sagen ich vertrete aber die gute Seite.
Wie auch in dem Fall in Indien. Wenn alle beteiligten Vergewaltiger getötet werden, werden dann weniger Frauen vergewaltigt? Werden weniger Frauen zwecks Scheidung mit Benzin übergossen und angesteckt? Nein. Man muss in die Communities, man muss zu den Menschen vordringen, sie Aufklären, Verkrustungen aufbrechen und auch die Frauen stärken und zeigen das sie sich wehren können.
Auch auf der #29c3 gibt/gab es Sexismus. Aber wie viele die sich auf Twitter darüber auskotzen sind zu demjenigen gegangen und haben in Ruhe mit ihm gesprochen, um ihn deutlich zu machen das dass was er von sich gab verletzend ist? Wer das macht, nimmt auch die Person ernst und zeigt ihm, das es OK ist sich zu entschuldigen und in sich zu gehen. Aber aggressiv vorzugehen erzeugt nur eine gegenwehr und stößt eine Spirale an aus der keiner so leicht rauskommt.
Feministinnen haben einen berechtigten Anspruch an die Gesellschaft, als gleichwertiger Teil in dieser anzukommen und anerkannt zu werden. Andere haben diesen Kampf auch geführt und sind auch weitergekommen. Warum schließt man sich nicht zusammen und lernt voneinander? Macht aber nicht die Fehler die andere schon machten, lernt lieber von deren Erfahrungschatz und macht es besser. Bitte.
Ich als Schwuler leide auch unter ständigen Sexismus. „Du bist kein „richtiger“ Mann, du bist ja schwul“ ist noch das harmloseste.